Fromm-Reichmann, Frieda
1926
Nachname:
Fromm-Reichmann
Vorname:
Frieda
Epoche:
20. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Neurologie
Psychoanalyse
Psychotherapie
Geburtsort:
Karlsruhe (DEU)
* 23.10.1889
† 28.04.1957
Biographie drucken

Deutsch-amerikanische Psychoanalytikerin, Pionierin der Psychosenpsychotherapie.

 

Leben

Frieda Fromm-Reichmann (1889-1957) wurde am 23. Oktober 1889 in Karlsruhe als älteste Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Sie nahm 1908 ihr Medizinstudium an der Universität Königsberg auf, spezialisierte sich auf Psychosomatik und publizierte 1913 ihre unter Ernst Meyer angefertigte Dissertation Ueber Pupillenstörungen bei Dementia praecox.

 

Unter der Leitung ihres Mentors Kurt Goldstein führte sie während des Ersten Weltkriegs neurologische und psychiatrische Untersuchungen durch. Fromm-Reichmann setzte sich insbesondere mit hirnverletzten Soldaten auseinander. Die dramatischen Umstände gewährten ihr Erkenntnisse über die Hirnfunktionen und ermöglichten es ihr, psychotische Zustände nachzuvollziehen. Von 1920 bis 1924 war sie als Assistenzärztin am Lahmann-Sanatorium Weisser Hirsch in Dresden tätig (vgl. Scholz 2004), anschließend in der psychiatrischen Universitätsklinik München unter Kraepelin.

 

1926 heiratete Frieda Reichmann den Soziologen Erich Fromm und trug seitdem den Doppelnamen Fromm-Reichmann. Obwohl die Ehe nach nur fünf Jahren geschieden wurde, führten beide ihre Zusammenarbeit und den fachlichen Austausch fort. Sie bauten den Südwestdeutschen Studienkreis für Psychoanalyse auf, der sich in Süddeutschland als ein Zentrum für analytische Theorie und Praxis etablierte. Nach der Machtergreifung Hitlers emigrierte Fromm-Reichmann in das ostfranzösische Elsass, später nach Palästina und dann 1935 in die USA. Dort begann sie in der Privatklinik Chestnut Lodge (Rockville, Maryland) zu arbeiten und fand ihre Lebensstellung als Director of Psychotherapy. In dieser Zeit lernte sie ihren zweiten Mentor Harry Stack  Sullivan kennen und wendete sich vor allem der Schizophreniebehandlung zu. Sie starb mit 67 Jahren in Chestnut Lodge.

 

Werke und Psychosenpsychotherapie

Wichtige Beiträge lieferte Fromm-Reichmann zur Behandlung von schizophrenen und „manisch-depressiven“ Störungen (vgl. Principles of Intensive Psychotherapy; 1950).Sie arbeitete zunächst nach der klassischen psychoanalytischen Methodik, distanzierte sich aber zunehmend davon und wandte sich der Neopsychoanalyse zu. Grund für diese Abkehr war die auf Freud zurückgehende Annahme, die Schizophrenie sei analytisch nicht behandelbar, da die Patienten keine Übertragungsbeziehung eingehen könnten. Frieda Fromm-Reichmann modifizierte noch weitere klassische Konzepte der Psychoanalyse: Sie arbeitete in der Therapie ohne Couch und legte mit ihrer „psychoanalytisch-orientierten Psychotherapie“ Wert auf höchste Aufmerksamkeit, Aufrichtigkeit, Geduld, Respekt und Einfühlungsvermögen.

 

Fromm-Reichmanns therapeutischer Stil ist in Joanne Greenbergs stark autobiographisch gefärbten Roman I Never Promised You a Rose Garden von 1964 dokumentiert (Vgl. Hein, Groß & Ernst 2011). Unter dem Pseudonym Hannah Green beschrieb die 1948 als Sechzehnjährige in Chestnut Lodge aufgenommene Autorin ihre positiven Therapieerfahrungen bei Fromm-Reichmann. Der Roman setzte Frieda Fromm-Reichmann und ihrem Schaffen ein ausdrucksstarkes literarisches Denkmal.

 

Auszeichnungen

1952: Adolf-Meyer-Preis.

 

Literatur

Berman, L. H. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. I. Introduction. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 89-90.

Bruch. H. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. III. Personal reminiscences of Frieda Fromm-Reichmann. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 98-104.

Cohen, R. A. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. II. Notes on the life and work of Frieda Fromm-Reichmann. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 90-98.

Crowley, R. M. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. IV. Frieda Fromm-Reichmann: recollections of a student. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 105-106.

Fromm-Reichmann, F. (1948): Bemerkungen zur Behandlung der Schizophrenie in der psychoanalytischen Psychotherapie. Heilung durch Wiederherstellung von Vertrauen. In: P. Matussek (1976, Hg.): Psychotherapie schizophrener Psychosen. Hamburg: Hoffmann & Campe, S. 34-52

Fromm-Reichmann, F. (1950): Principles of Intensive Psychotherapy. Chicago: University of Chicago Press.

Fromm-Reichmann, F. (1959): Psychoanalysis and Psychotherapy. Selected papers. Chicago: University of Chicago Press.

Fromm-Reichmann, F. (1989): Psychoanalysis and Psychosis. Madison: International Universities Press.

Gunst, V. K. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. V. Memoirs--professional and personal: a decade with Frieda Fromm-Reichmann. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 107-115.

Green, H. [Joanne Greenberg] (1964): I Never Promised You a Rose Garden. New York: Holt, Rinehart and Winston.

Hein, S., D. Groß, J.-P. Ernst (2011): US-amerikanische Psychiatriegeschichte im Spiegel des Romans „I Never Promised You A Rose Garden“ von Joanne Greenberg. In: D. Groß, A. Karenberg, S. Kaiser, W. Antweiler (Hg.): Medizingeschichte in Schlaglichtern. Beiträge des „Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker“. Kassel: Kassel university press, S.303-328.

Hoff, S. G. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. VI. Freida Fromm-Reichmann, the early years. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 115-121.

Hornstein, Gail A. (2000): To Redeem One Person Is to Redeem the World: The Life of Frieda Fromm-Reichmann. New York: Other Press.

Reichmann, F. (1913): Ueber Pupillenstörungen bei Dementia praecox. In: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 53, (1), S. 302-321.

Reichmann, F., K. Goldstein (1920): Über praktische und theoretische Ergebnisse aus den Erfahrungen an Hirnschussverletzten. Berlin: Springer.

Scholz, A. (2004): Ärzte und Patienten in Dresdner Naturheilsanatorien. In: medizin - bibliothek - information 4, (1), S. 13-19.

Stanton, A. H. (1982): Frieda Fromm-Reichmann: a seminar in the history of psychiatry. VII. Frieda Fromm-Reichmann, MD: her impact on American psychiatry. In: Psychiatry Interpersonal & Biological Processes 45, (2), S. 121-127.

 

Ansgar Fabri

 

 

Foto: Frieda Fromm-Reichmann - Copyright by Erich Fromm Archiv, Tübingen

 

 

Zitierweise
Ansgar Fabri (2015): Fromm-Reichmann, Frieda.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/48-fromm-reichmann-frieda
(Stand vom:24.04.2024)