Nachname:
Leonhard
Vorname:
Karl
Epoche:
20. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Neurologie
Psychiatrie
Psychotherapie
Geburtsort:
Edelsfeld (DEU)
* 21.03.1904
† 23.04.1988
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Deutscher Psychiater, Psychotherapeut und Nosologe.

 

Karl Leonhard (1904-1988) wurde im oberpfälzischen Edelsfeld als sechstes von elf Kindern eines evangelischen Pfarrers geboren. Nach dem Studium der Medizin in Erlangen, Berlin und München und einer psychiatrischen Promotion (1928) heiratete er 1931 die Lehrerin Elfriede Wittler, mit der er drei Kinder hatte. 1936 wurde er Oberarzt an der Nervenklinik der Universität Frankfurt und habilitierte sich dort 1937. Nach der Übersiedelung in die DDR und zweijähriger Tätigkeit als psychiatrischer Ordinarius in Erfurt wechselte er 1955 an die Nervenklinik der Charité der Humboldt-Universität zu Berlin, die er bis zu seiner Emeritierung 1969 leitete. Ein zwischenzeitlich versuchter Wechsel an die Universität Frankfurt im Jahre 1964 wurde vom Staatssekretariat für Hochschulwesen der DDR verhindert. Im Alter von 84 Jahren verstarb Karl Leonhard in Berlin.

 

Nosologische Arbeiten

Seit seiner Habilitation über Die defektschizophrenen Krankheitsbilder arbeitete Leonhard (1936) an einer symptomorientierten Differenzierung der Schizophreniediagnostik. In seinem in zahlreiche Sprachen übersetzten Hauptwerk Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Ätiologie (1957) unterschied er in Anlehnung an K. Kleist (1879-1960) und C. Wernicke (1848-1905) zwischen phasisch-schubhaften und zykloiden, prognostisch günstigeren Störungen und untergliederte die sog. „endogenen Psychosen“ in über 40 Krankheitsformen. Leonhard entwickelte zudem eine eigenständige Form der Psychotherapie (Individualtherapie der Neurosen, 1965).

 

Haltung im Nationalsozialismus

Problematisch sind Leonhards Positionen zur Erblichkeit schizophrener Störungen, die er u. a. in Zusammenarbeit mit dem Münchner Institut für Genealogie und Demographie an der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie unter der Leitung von Ernst Rüdin entwickelte. Einerseits habe Leonhard während seiner Tätigkeit an der Nervenklinik der Universität Frankfurt „zahlreiche Patienten seiner Klinik vor der sogenannten ,Euthanasie‘“ der Nationalsozialisten gerettet (Beckmann 2003, S. 418). Andererseits befürwortete Leonhard (1937, S. 111 f.) in seinem Text zur Angstdepression in Klinik und Erblichkeit die „praktisch-eugenische Bedeutung der Angstpsychosen” und die Integration der von ihm selbst geschaffenen Kategorie der „Angstpsychose“ in die Bestimmungen des 1933 verabschiedeten Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.

 

Die Wernicke-Kleist-Leonhard-Gesellschaft pflegt den Nachlass und das Werk von Karl Leonhard. 1995 publizierte Leonhards Sohn Volkmar die Autobiographie seines Vaters unter dem Titel Meine Person und meine Aufgaben im Leben.

 

Auszeichnungen

1984: Stern der Völkerfreundschaft in Silber.

 

Literatur

Beckmann, H. (2003): Karl Leonhards Lebensweg (1904-1988). In: K. Leonhard, H. Beckmann (Hg.): Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Ätiologie. Stuttgart: Thieme, S. 418-419.

Bochnik, H. (2004): Erinnerung an Professor Dr. med. Karl Leonhard. 21. März 1904 - 23. April 1988. In: Hessisches Ärzteblatt 65, (3), S. 158-159.

Brückner, B. (2006): Psychiatriegeschichte und Patientengeschichte. Eine Literaturübersicht zum Stand der deutschsprachigen Forschung. In: Sozialpsychiatrische Informationen 35, (4), S. 26-30.

Leonhard, K. (1928): Über kapillarmikroskopische Untersuchungen bei zirkulären und schizophrenen Kranken und über die Beziehungen der Schlingenlänge zu bestimmten Charakterstrukturen. Halle: Marhold.

Leonhard, K. (1936): Die defektschizophrenen Krankheitsbilder. Ihre Einteilung in zwei klinisch und erbbiologisch verschiedene Gruppen und in Unterformen vom Charakter der Systemkrankheiten. Leipzig: Thieme.

Leonhard, K. (1937): Involutive und idiopathische Angstdepression in Klinik und Erblichkeit. Leipzig: Thieme.

Leonhard, K. (1957): Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Ätiologie. Berlin: Akademie-Verlag.

Leonhard, K. (1964): Zur Frage des spezifischen Ausfalls nach Leukotomie. In: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde 186, (4), S. 317-322.

Leonhard, K. (1965, Hg.): Individualtherapie der Neurosen. Jena: G. Fischer Verlag.

Leonhard, K. (1988): Bedeutende Persönlichkeiten in ihren psychischen Krankheiten. Beurteilung nach ihren eigenen Schriften und Briefen. Berlin: Akademie Verlag.

Leonhard, K., V. Leonhard (1995, Hg.): Meine Person und meine Aufgaben im Leben. Hildburghausen: Verlag Frankenschwelle H.-J. Sailer.

Malach, H. (2009): Die Individualtherapie Karl Leonhards – Rekonstruktion und Vergleich mit verhaltenstherapeutischen Methoden der 50er und 60er Jahre. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin der Medizinischen Fakultät der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

 

Julian Schwarz

 

Zitierweise
Julian Schwarz (2015): Leonhard, Karl.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/64-leonhard-karl
(Stand vom:17.11.2024)