- Nachname:
- Kulenkampff
- Vorname:
- Caspar
- Epoche:
- 20. Jahrhundert
- Arbeitsgebiet:
- Sozialpsychiatrie
Politik
Verwaltung - Geburtsort:
- Bremen (DEU)
- * 12.11.1922
- † 29.03.2002
Kulenkampff, Caspar
Psychiater, Gesundheitsdezernent und Schlüsselfigur der deutschen Psychiatrie-Reform.
Werdegang
Caspar Kulenkampff (1922-2002) wurde als Sohn des Violonisten Georg Alwin Kulenkampff in Bremen geboren. Seine Mutter Ilse Renate (geb. Braun-Wogau) ließ sich 1936 scheiden und heiratete 1937 den Berliner Psychiater Jürg Zutt, der seinen Ziehsohn vielfältig förderte. Nach dem Studium in Berlin, Hamburg und Heidelberg und der Dissertation Untersuchungen über Cholesterinesterase (1946) absolvierte Kulenkampff die Facharztausbildung. 1952 wechselte er an die Psychiatrische Klinik der Universität Frankfurt am Main, habilitierte sich 1957 unter Jürg Zutt und wurde 1960 leitender Oberarzt. Bereits in den fünfziger Jahren publizierte er theoretische Aufsätze u. a. zu Sartres Phänomenologie des Blicks oder zur Anthropologie der paranoiden Psychosen (1955). An Zutts Klinik nahm er als Oberarzt an dem als „Rhein-Main-Club“ bekannt gewordenen Kreis von später namhaften Sozialpsychiatern teil (u. a. K. P. Kisker, H. Häfner, Ch. Müller, W. Bräutigam). Ab 1959 baute sein Team eine rehabilitativ orientierte sozialpsychiatrische Abteilung auf, zunächst die erste Nachtklinik in Deutschland, dann eine Tagesklink und ein Übergangswohnheim (Schönknecht 1999, S. 33). 1966 folgte er einem Ruf an die Universität Düsseldorf und übernahm die Leitung der Klinik Düsseldorf-Grafenberg (Häfner 2002). Von 1964 bis 1977 war er Mitherausgeber der Zeitschrift Der Nervenarzt.
Schlüsselfigur der Psychiatrie-Reform
Kulenkampff trat Ende der sechziger Jahre u. a. zusammen mit Walter von Baeyer im einflussreichen Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge für eine strukturelle Reform der Psychiatrie ein. Der Abgeordnete der CDU Walter Picard beantragte daraufhin am 5. März 1970 im Deutschen Bundestag eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz von Kulenkampff. Die Kommission belegte in ihrem 1975 veröffentlichte Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland („Psychiatrie-Enquête“) eine „menschenunwürdige“ Versorgungssituation und forderte eine gemeindenahe, multiprofessionelle, koordinierte und bedarfsgerechte Strukturreform. 1971 gab Kulenkampff seine Professur zugunsten der gesundheitspolitischen Arbeit als Gesundheitsdezernent im Landschaftsverband Rheinland (LVR) auf. 1983 übergab er das Amt seinem Nachfolger, Landesrat Rainer Kukla. Zwischen 1986 und 1988 arbeitete er in der Expertenkommission Psychiatrie des Bundesgesundheitsministeriums mit, die einen „personenzentrierten“ Perspektivwechsel einleitete (Hilfepläne, Trägerverbünde). Caspar Kulenkampff starb 2002 im Alter von achtzig Jahren in Hamburg.
Mit dem Caspar-Kulenkampff-Preis würdigt der LVR besondere Verdienste um die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung im Rheinland.
Literatur
Anders, E., C. Kulenkampff (1969, Hg.): Der Verrückte in der Gesellschaft. Aufgaben und Chancen der Psychiatrie. Stuttgart, Radius-Verlag.
Deutscher Bundestag (1975): Bericht über die Lage der Psychiatrie In der Bundesrepublik Deutschland. Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch / psychosomatischen Versorgung der Bevölkerung. (Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 7 / 2004). Bonn: Heger.
Häfner, H. (2002): Caspar Kulenkampff (1922-2002). In: Der Nervenarzt 73, (11), S. 1105-1106.
Kulenkampff, C. (1955): Entbergung, Entgrenzung, Überwältigung als Weisen des Standverlustes. Zur Anthropologie der paranoiden Psychosen. In: Der Nervenarzt 26, S. 89-95.
Kulenkampff, C.; E. Siebecke-Giese (1969): Gesamtverzeichnis der Einrichtungen auf dem Gebiet der Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Neurologie, Neurochirurgie, Psychotherapie, Psychosomatik, Psychohygiene, Heilpädagogik, Geriatrie. 2 Bde. Frankfurt am Main: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge.
Kulenkampff, C. (1986; Hg.): Neue Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke und Behinderte: Bonn: Psychiatrie-Verlag.
Kulenkampff, C., W. Picard (1989, Hg.): Fortschritte und Veränderungen in der Versorgung psychisch Kranker – ein internationaler Vergleich. Köln: Rheinland-Verlag.
Redaktion Der Spiegel (1962): Medizin, Geisteskrankheiten: Tag und Nacht. In: Der Spiegel, (32), 08. August 1962, S. 50-51.
Schönknecht, P. (1999): Die Bedeutung der verstehenden Anthropologie von Jürg Zutt (1893 - 1980) für Theorie und Praxis der Psychiatrie. Würzburg: Königshausen + Neumann.
Zutt, J., C. Kulenkampff (1958; Hg.): Das Paranoide Syndrom in Anthropologischer Sicht. Symposium auf dem Zweiten Internationalen Kongress für Psychiatrie im September 1957 in Zürich. Berlin, Heidelberg: Springer.
Ansgar Fabri, Burkhart Brückner
Zitierweise
Ansgar Fabri, Burkhart Brückner (2015):
Kulenkampff, Caspar.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL:
biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/111-kulenkampff-caspar
(Stand vom:20.12.2024)