Falck, Hans Siegfried
2008
Nachname:
Falck
Vorname:
Hans Siegfried
Epoche:
20. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Soziale Arbeit
Beratung
Geburtsort:
Hamburg (DEU)
* 26.01.1923
† 29.06.2014
Biographie drucken

Deutsch-amerikanischer Sozialarbeiter, Begründer des Membership-Ansatzes.

 

Hans Falck (1923-2014) wurde in eine alteingesessene Handwerkerfamilie in Hamburg geboren. Er verließ die Stadt am 31. Oktober 1939 mit seinen Eltern und zwei jüngeren Brüdern und floh auf einem der der letzten Flüchtlingsschiffe über die Niederlande in die USA (Schumann 1995, S. 79). Falck blieb zunächst in Mount Vernon (New York), während seine Familie, unterstützt von jüdischen Sponsoren, nach Cleveland weiterreiste, kam jedoch bald ebenfalls nach Cleveland und arbeitete mit seinem Vater im Niedriglohnsektor.

 

Gegen Ende des Krieges trat Falck in die Armee ein, erhielt damit die amerikanische Staatsbürgerschaft, und arbeitet aufgrund seiner Sprachkenntnisse unter anderem für den Geheimdienst in Europa (Robertson 2014). 1946 kehrte er in die USA zurück, holte seinen Schulabschluss an einer Abendschule nach, durchlief innerhalb von sechs Monaten die Highschool und begann im Sommer 1956 ein Studium an der Case Western Reserve University in Cleveland, wo er 1949 den Bachelor of Arts erhielt. Ein Jahr später schloss er mit dem Master of Arts (German Literature) an der Syracuse University in New York ab.

 

Ausbildung und akademische Karriere

Nach dem Studium wollte Hans Falck wollte sich für das Land einsetzen, das ihm und seiner Familie die Möglichkeit für einen Neuanfang geboten hatte. Er begann als leitender Pädagoge in einem jüdischen Gemeindezentrum in der Arbeit mit Kindern. 1953 erwarb er den Master of Social Work in Buffalo (New York). Während des Studiums arbeitete er von 1951 bis 1952 als „group worker“ im Huntington Family Center in Syracuse (New York) und von 1952 bis 1954 als Programmdirektor der Neighbourhoodhouse Associaton in Buffalo (New York). 1954 erhielt er eine Professur und promovierte 1960 in Sozialwissenschaften an der Syracuse University (New York). Ab 1961 arbeitete er als Associate Professor an der George Brown School of Social Work der Washington University in St. Louis (Missouri). Von 1968 bis 1972 lehrte er als Professor an der School of Social Work der Maryland University und von 1972 bis 1978 als Professor für Sozialwissenschaften an der Menninger Foundation in Topeka (Kansas). 1978 wechselte er an die School of Social Work nach Virginia, wo er ab 1979 die Professur für Social Work and Psychiatry an der School of Social Work and Medical College der Virginia Commonwealth University bekleidete  (Schumann 1995, S. 84). Im gleichen Jahr engagierte Falck sich für den Aufbau der neu gegründeten Association for the Advancement of Social Work with Groups (AASWG ).

 

Gruppenarbeit, psychiatrische Sozialarbeit und Membership-Ansatz

Hans Falck entwickelte in den fünfziger und sechziger Jahren eine Theorie und Praxis der sozialen Gruppenarbeit. In den siebziger und achtziger Jahren arbeitete Falck (1987; 1984; 1978) zu Problemstellung aus der klinischen und psychiatrischen Sozialarbeit, beeinflusst von W. C. Menninger, H. S. Sullivan und R. May (vgl. Falck 1980, S. 231 f.). 1988 erschien sein Hauptwerk Social Work. The Membership Perspective. Er vertrat eine gemeindenahe, jüdisch-theologisch fundierte Soziale Arbeit. Sein Begriff der „Mitgliedschaft“ („Membership“) bezieht sich auf die fundamentale gemeinschaftliche Eingebundenheit menschlicher Existenz in der „Community“ und die daraus hervorgehende individuelle Verantwortung für soziale Gerechtigkeit. Soziale Arbeit beruhe auf der biopsychosozial verankerten Verbundenheit zwischen Sozialarbeitern und Klienten in der professionellen Dyade. Beide Seiten könnten ihre Fähigkeiten partizipativ einbringen und dialogisch entwickeln (vgl. Falck 1988/1997; Hußmann & Kunstreich 2015).

 

Nach seiner Emeritierung 1993 lebte Hans Falck in Richmond mit seiner Frau Renate Forssmann-Falck, Professorin am Department of Psychiatry der Virginia Commonwealth University. Hans Falck blieb trotz zunehmender gesundheitlicher Verluste in der jüdischen Gemeinde aktiv, war zuletzt auf den Rollstuhl angewiesen und starb 2014 im Alter von 91 Jahren in Richmond.

Die Virginia Commonwealth University vergibt ein nach Falck benanntes Stipendium für  Doktoranden. Das William Byrd Community House in Richmond unterhält seit 2007 die Hans-Falck-Vorlesungsreihe für soziale Verantwortung. Die Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg veranstaltet eine Hans-Falck-Vorlesungsreihe.

 

Auszeichnungen

1993: Richard Lodge Prize.

 

Literatur

Carlton, T. O., H. S. Falck, B. Berkman (1985): The use of theoretical constructs and research data to establish a base for clinical social work in health settings. In: Social Work in Health Care 10, (2), S. 27-40.

Falck, H. S. (1988): Social Work. The Membership Perspective. New York: Springer. [Dtsch., H. Falck: Membership. Eine Theorie der sozialen Arbeit. Mit einem Vorwort zur deutschen Ausgabe von Michael Schumann und Jürgen Zinnecker. Stuttgart: Enke 1997].

Falck, H. S. (1987). Social and psychological care before and during hospitalization. In: Social Science & Medicine 25, (6), S. 711-720.

Falck, H. S. (1985): Das Membership-Prinzip in der Sozialarbeit. In: Studium und Praxis 39, S. 2-14.

Falck, H. S. (1984): The Courts, The Constitutional ‘Right to Treatment’ and The Psychiatric Hospital: Policy & Impact. In: Journal of International and Comparative Social Welfare 1, (1), S. 52-76.

Falck, H. S.: (1980): Aspects of the Sociology of Psychiatry. In: The Journal of Sociology & Social Welfare 7, (2), S. 219-235.

Falck, H. S. (1978): Crisis theory and social group work. In: Social Work With Groups 1, (1), S. 75-84.

Falck, H. S. (1978a): Social work in health settings. In: Social Work in Health Care 3, (4), S. 395-403.

Falck, H. S. (1977): The consultant as insider and change agent. The problem of boundaries in social systems. In: Administration in Mental Health 5, (1), S. 55-67.

Falck, H. S. (1963). The use of groups in the practice of social-work. In: Social Casework 44, (2), S. 63-67.

Hußmann, M. (2012): „Besondere Problemfälle“ Sozialer Arbeit in der Reflexion von Hilfeadressaten aus jugendlichen Straßenszenen in Hamburg. Eine qualitative Studie unter besonderer Berücksichtigung der Membership-Theorie nach Hans Falck. Münster: Monsenstein und Vannerdat.

Hußmann, M., T. Kunstreich (2015): Membership und soziale Gerechtigkeit. Der Hans-Falck-Reader. Weinheim: Juventa.

Meusel, J. (1999): Über Hans S. Falck. In: Rundbrief Gilde Soziale Arbeit 53, (2), S. 54-60.

Robertson, E. (2014): Hans S. Falck, 91, professor emeritus in the VCU School of Social Work and scholar, dies at 91. In: Richmond Times-Dispatch, 2. Juli 2014. URL: http://www.richmond.com/obituaries/featured/article_b818fcbf-a815-5074-820f-10d4390318b6.html

Schumann, M. (1995): Hans S. Falck. Plädoyer für eine Sozialarbeitswissenschaft. In: J. Wieler, S. Zeller (Hg.): Emigrierte Sozialarbeit. Portraits vertriebener SozialarbeiterInnen. Freiburg im Breisgau: Lambertus, S. 76-88.

 

Burkhart Brückner, Robin Pape

 

Foto: Courtesy Dr. Renate Forssmann-Falck, Copyright.

 

Zitierweise
Burkhart Brückner, Robin Pape (2015): Falck, Hans Siegfried.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/198-falck-hans-siegfried
(Stand vom:24.04.2024)