Perels, Martin
1881
Nachname:
Perels
Vorname:
Martin
Epoche:
19. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Kunst
Geburtsort:
Danzig (POL)
* 17.07.1838
† 26.07.1882
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Psychoseerfahrener Buchhändler, Schriftsteller, Publizist, Schauspieler.

 

Martin Perels (1838-1882) wurde als Sohn einer geachteten Patrizierfamilie in Danzig geboren. Er war als Theaterschauspieler sowie als Publizist und Begründer der Zeitschrift Deutsche Schaubühne erfolgreich. Als Psychoseerfahrener wurde er durch psychiatrische Vorträge an teils renommierten Kliniken populär.

 

Lebensweg

In seiner Heimatstadt Danzig besuchte Perels das Gymnasium, bevor er von 1853 bis 1857 eine Lehre als Buchhändler in Berlin absolvierte. Er verbrachte anschließend einige Zeit in Wien (Brümmer 1913, S. 248; Perels 1862). Entgegen dem Willen seiner Eltern entschied Perels sich zunächst für eine Laufbahn als Theaterschauspieler und hatte an österreichischen und deutschen Bühnen einigen Erfolg. Dennoch nahm er, nicht zuletzt auf Wunsch seiner Eltern, Anfang der sechziger Jahre eine publizistische Tätigkeit auf und begründete mit Feodor Wehl in Hamburg die Deutsche Schaubühne (Brümmer 1913, S. 248). Die Herausgabe dieser Bühnenzeitschrift setzte Perels bis 1873 fort, im Anschluss widmete er sich Vorträgen zur Literatur und Rhetorik, die er mit erheblicher Resonanz in größeren deutschen Städten vortrug. Aufsehen erregten aber vor allem seine psychiatrischen Vorträge, in denen er eigene psychische Grenzerfahrungen beschrieb. Sie erschienen 1876 als Vorträge über Sinnesempfindungen, Sinnestäuschungen, Mondsucht, Traum- u. Seelenleben, über Dämonomanie, Verfolgungsmanie, Attentat, Wahnsinn u. Selbstmord. Perels hatte, wenn nicht auf Reisen, seinen Wohnsitz in Frankfurt am Main. Von dort aus begann er 1882 erneut die Herausgabe der Deutschen Schaubühne. Er starb am 26. Juli desselben Jahres.

 

Psychoseerfahrungen

Perels‘ Vorträge über Sinnesempfindungen und Sinnestäuschungen enthalten unter anderem eine Darstellung einer selbst erlebten psychotischen Episode Anfang Dezember 1868. Perels (1881, S. 5) schildert im Zusammenhang mit der Bekanntschaft zu einer jungen Sängerin in Frankfurt am Main „Liebeswahn“, „Hallucinationen“, „Geruchs-“ und „Geschmackstäuschungen“, „Zwiegespräche“ mit Stimmen sowie „Verirrung zum Selbstmorde“. Auf einer gemeinsame Reise nach Würzburg veranlassten Halluzinationen, paranoides Ideen und hinzutretende imperative Stimmen Perels, sich schwere Messerverletzungen zuzufügen und sich aus dem Fenster zu stürzen, was eine Fraktur eines Beines nach sich zog (Perty 1877, S. 22). Es folgte ein Aufenthalt im Juliushospital, allerdings ohne psychiatrische Einweisung. Die monatelange Genesung bis Ende 1869 war von temporären Wahnideen und zwei kurzfristigen psychotischen Episoden begleitet (Perels 1881, S. 22).

 

Selbstdeutung und Wendung in die Öffentlichkeit

Perels betonte die religöse Selbsthilfe. In vorsichtigem Bezug auf Emanuel Swedenborg (1688-1772) deutete die akustischen Halluzinationen als „Stimme“ des Gewissens (Brückner 2007, S. 202 f.). Stabilisierend wirkte die öffentliche Anerkennung durch zahlreiche Einladung zu Vorträgen, u.a. an der Berliner Charité und im Würzburger Juliushospital. Perels' Berichte gelten als authentisch, wobei er seine Entgleisung offensiv dramatisch stilisierte. In der Öffentlichkeit, auch vor Fachpublikum, präsentierte er sich demonstrativ als Experte, der den Wahnsinn besiegt habe, als „Bändiger seiner Dämonen“. Die Reklamation der eigenen Leistung in der Bewältigung des Irreseins stützte die produktive Bewältigung der psychotischen Episode.

 

Literatur

Brückner, B. (2007): Delirium und Wahn. Geschichte, Selbstzeugnisse und Theorien von der Antike bis 1900. Bd. 2. 19. Jahrhundert – Deutschland. Hürtgenwald: Pressler.

Brümmer, F. (1913): Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Bd. 7., 6. Aufl. Leipzig: Reclam.

Perels, M. (1860): Die Deutsche Schaubühne. Hamburg: Fischer.

Perels, M. (1862): Meine Selbstbiographie. Mit Anhang, Vertrauter Briefwechsel bekannter lebender Künstler-Persönlichkeiten. Berlin: Bloch.

Perels, M. (1862): Klänge aus Böhmen. Kulmbach: Kober.

Perels, M. (1876): Vorträge über Sinnesempfindungen und Sinnestäuschungen, Mondsucht, Traum- und Seelenleben, über Dämonomanie, Verfolgungsmanie, Attentat, Wahnsinn und Selbstmord. München: Huber.

Perels, M. (1881): Meine Krankheitsgeschichte. Aus dem Tagebuche eines Irren. Loebau: Skrzeczek.

Perty, M. (1877): Der jetzige Spiritualismus und verwandte Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart. Leipzig Winter.

 

Burkhart Brückner, Catharina Bonnemann

 

Zitierweise
Burkhart Brückner, Catharina Bonnemann (2015): Perels, Martin.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/188-perels-martin
(Stand vom:27.07.2024)