- Nachname:
- Goffman
- Vorname:
- Erving
- Epoche:
- 20. Jahrhundert
- Arbeitsgebiet:
- Sozialpsychiatrie
- Geburtsort:
- Manville (CAN)
- * 11.06.1922
- † 19.11.1982
Goffman, Erving
Kanadischer Soziologe.
Erving Goffman (1922-1982) wurde in Manville (Alberta) als Sohn jüdischer Eltern geboren. Nach dem Studium der Soziologie in Toronto und Chicago arbeitete er am Department of Social Anthropology in Edinburgh. 1949/1950 führte er eine ethnographische Feldstudie zur Alltagskommunikation auf den Shetlandinseln durch und promovierte darüber 1953 in Chicago bei Anselm L. Strauss. Im National Institute of Mental Health (NIMH) in Bethesda (Maryland) arbeitete Goffman von 1954 bis 1957 an klinischen Studien, u.a. im St. Elisabeth Hospital (Washington D.C.). Im Rahmen einer Professur in Berkeley (Kalifornien) verfasste er seine ersten Werke, u.a. Encounters (1961) und Strategic Interaction (1969).
Totale Institutionen
In dem rollentheoretischen Klassiker Asylums (1961, S. 7) entfaltete Goffman den Begriff der „totalen Institution“ und definierte: „Eine totale Institution läßt sich als Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Individuen definieren, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen.“ Er unterschied dabei zwischen den „Rollen“ der Insassen und des Personals. Während die Insassen einem für alle gleichförmigen, geplanten und ritualisierten Alltag „unter ein und derselben Autorität" unterliegen würden, sei das Personal in der Lage, in der Institution die „Richtung der Kommuniktion“ zu bestimmen und könne zudem die übliche Trennung von Arbeit und Freizeit aufrecht erhalten (Goffman 1972, S. 17). Typische „totale Institutionen“ seien u. a. Altersheime, Waisenhäuser, Klöster, Sanatorien, psychiatrische Anstalten, Gefängnisse, Kasernen oder Arbeitslager. In Fortsezung dieser Studie analysierte Goffman in Stigma (1963) „moralische Patientenkarrieren“.
1970 war Goffman Mitbegründer der American Association for the Abolition of Involuntary Mental Hospitalization. 1969 wechselte er an die University of Pennsylvania und forschte u.a. über soziologischen Methodologie (Frame Analysis, 1974) und über Genderfragen. 1981 wurde er Präsident der American Sociological Association (ASA) und starb kurz darauf an Krebs.
Auszeichnungen
1961: MacIver Award für The Presentation of Self in Everyday Life.
1978: Burda-Preis für Kommunikationsforschung.
1979: Cooley-Mead Award.
1979: Orwell Award für Gender Advertisements.
1983: Mead Award (postum).
Literatur
Auer, P. (1999): Sprachliche Interaktion. Tübingen: Niemeyer.
Bergmann, J. R. (1991): Goffmans Soziologie des Gesprächs und seine ambivalente Beziehung zur Konversationsanalyse. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 301-326.
Eberle, T. S. (1991): Rahmenanalyse und Lebensweltanalyse. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 157-210.
Goffman, E. (1959): The presentation of self in everyday life. New York: Doubleday & Company.
Goffman, E. (1961): Asylums. Essays on the Social Situation of Mental Patients and other Inmates. New York: Doubleday & Company.
Goffman, E. (1961): Encounters. Two studies in the sociology of interaction. Indianapolis: Bobbs-Merrill.
Goffman, E. (1963): Stigma. Notes on the management of spoiled identity. New Jersey: Prentice-Hall.
Goffman, E. (1967): Interaction ritual. New York: Doubleday.
Goffman, E. (1969): Strategic interaction. Philadelphia: University of Pennsylvania.
Goffman, E. (1971): Relations in public. Microstudies of the public order. London: Penguin.
Goffman, E. (1974): Frame analysis. An essay on the organization of experience. Harmondsworth: Penguin Books.
Goffman, E. (1977): The arrangement between the sexes. In: Theory and society 4, S. 301-331.
Goffman, E. (1979): Gender advertisements. London: Macmillan.
Hettlage, R. (1991): Rahmenanalyse, oder die innere Organisation unseres Wissens um die Ordnung der Wirklichkeit. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 95-154.
Hettlage, R. (1991): Klassiker der zweiten Generation. Erving Goffman. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 385-444.
Hettlage, R., K. Lenz (1991): Erving Goffman. Ein unbekannter Bekannter. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 7-24.
Kardorff, E. v. (1991): Goffmans Anregungen für soziologische Handlungsfelder. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 327-354.
Knoblauch, H. (1994): Interaktion und Geschlecht. Frankfurt am Main: Campus.
Knoblauch, H. (2006): Erving Goffman. In: S. Moebius, D. Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Lenz, K. (1991): Erving Goffman. Werk und Rezeption. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 25-94.
Lenz, K. (1991): Goffman. Ein Strukturalist? In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 243-300.
Raab, J. (2008): Erving Goffman. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz.
Reiger, H. (2000): Face-to-face Interaktion. Zur Soziologie Erving Goffmans. Frankfurt am Main: Lang.
Twenhöfel, R. (1991): Zuordnung und Erfolg. Wissenschaftssoziologische Aspekte der Goffman-Rezeption. In: R. Hettlage, K. Lenz (Hg.): Erving Goffman. Ein soziologischer Klassiker der zweiten Generation. Bern: Haupt, S. 355-384.
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Willems, H. (1997): Rahmen und Habitus. Zum theoretischen und methodischen Ansatz Erving Goffmans. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Robin Pape
Zitierweise
Robin Pape (2015):
Goffman, Erving.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL:
biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/164-goffman-erving
(Stand vom:23.12.2024)