Glöklen, Adolf
Vermutlich A. Glöklen, 1912.
Nachname:
Glöklen
Vorname:
Adolf
Epoche:
20. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Sonstige
* 25.02.1861
Biographie drucken

Kaufmann und Gründer des Bundes für Irrenrecht und Irrenfürsorge.

 

Adolf Glöklen (geb. 1861) stammte nach eigenen Angaben (1908, S. 5 f.) aus einer württembergischen Pfarrersfamilie“. Er heiratete am 11. November 1884, das Paar bekam zwei Söhne und eine Tochter. Glöklen ergriff einen kaufmännischen Beruf und berichtet, er habe auf seinen ständigen Geschäftsreisen eine große Kluft zwischen arm und reich in Deutschland erlebt. So habe er kein rosiges Leben gehabt bis die beiden Söhne selbständig wurden. Seine Tochter Marta verlobte sich 1906, aber ihr Verlobter löste die Verbindung aufgrund eigener Krankheit wieder auf. Daraufhin erschoss sie sich im April 1907. Ihr Verlobter nahm sich drei Wochen später das Leben.

 

Erschüttert suchte Glöklen einen Arzt auf, der ihn an die psychiatrische Klinik in Heidelberg verwies. Dort wurde er fünf Tage gegen seinen Willen festgehalten, da seine Frau nach seiner Darstellung zur Einwilligung in seine Einweisung gezwungen worden sei. Er habe eine Anstaltskleidung anlegen müssen, sei durchsucht, aber von den Ärzten ignoriert worden (Goldberg 2003, S. 195 f.). 1908 schilderte er die seiner Ansicht nach illegitime Behandlung in der Protestschrift Zustände in der Heidelberger Universitäts-Irren-Klinik und schloss sich der zeitgenössischen psychiatriekritischen Bewegung an (vgl. Schwoch 2013; Schmuhl 2007; Brückner 2007, S. 161 ff.).

 

1909 gründete Glöklen den „Bund für Irrenrecht und Irrenfürsorge e.V. (Schutzbund gegen Freiheitsberaubung und ungerechte Entmündigung)“. Bis 1922 setzte sich die Organisation für rechtssichere Behandlungen von psychiatrischen Patienten ein. Das Publikationsorgan des Bundes Die Irrenrechtsreform erreichte offenbar zeitweilig eine Auflage von mehr als 10.000 Exemplaren. Glöklen (1912; 1913) entwarf dann im Kontext der naturheilkundlichen Medizin eine Atemgymnastik (Schmiedebach 1996, S. 143), vertrieb einen medizinischen Inhalationsapparat und soll um 1910 ein Kurhaus in Kailbach (Odenwald) eröffnet haben (Beyer 1912, S. 628).

 

Literatur

Anonym [A. Glöklen] (1908): Zustände in der Heidelberger Universitäts-Irren-Klinik oder 5 Tage lebendig begraben. Verfasst von einem dort irrtümlich fünf Tage Internierten. Ein ernstes Mahnwort an Nerven- und Gemütskranke, an Eltern und Vormünder, sowie an alle leicht erregbaren Menschen. Heidelberg: Jünger.

Beyer, B. (1912): Die Bestrebungen zur Reform des Irrenwesens. Material zu einem Reichs-Irrengesetz. Halle: Marhold.

Blasius, D. (1980): Der verwaltete Wahnsinn. Eine Sozialgeschichte des Irrenhauses. Frankfurt am Main: Fischer.

Brändli, S., B. Lüthi, G. Spuhler (2009, Hg.): Zum Fall machen, zum Fall werden. Wissensproduktion und Patientenerfahrung in Medizin und Psychiatrie des 19. und 20. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Campus.

Brink, C. (2002): „Nicht mehr normal und noch nicht geisteskrank …”. Über psychopathologische Grenzfälle im Kaiserreich. In: WerkstattGeschichte 33, S. 22-44.

Brückner, B. (2007): Delirium und Wahn. 2. Bd. Das 19. Jahrhundert – Deutschland. Hürtgenwald: Pressler.

Feger, G., H. Schneider (1981): „Antipsychiatrische“ Bewegung und Sozialpsychiatrische Ansätze von der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten – Zur Geschichte der „Antipsychiatrie“. In: S. Lundt (Hg.): Rebellion gegen das Valiumzeitalter. Überlegungen zur Gesundheitsbewegung. Dokumentation des Gesundheitstages Berlin 1980. Berlin: Verlagsgesellschaft Gesundheit, S. 191-211.

Goldberg, A. (2003): A Reinvented Public. ‘Lunatic Rights’ and Borgeois Populism in the Kaiserreich. In: E. J. Engstrom, V. Roelcke: Psychiatrie im 19. Jahrhundert. Basel, Mainz: Akademie, Schwabe, S. 189-217.

Glöklen, A. (1912): Therapeutische Tief-Atmungs-Gymnastik. Heidelberg: Jünger.

Glöklen, A. (1913): Meine Atmungs-Methode. Nebst Anwendung des gesetzlich geschützten Lungenkräftigungs- und Inhalations-Apparates „Glia“. Mit Atmungs-Kontroll-Uhr zur Selbstbehandlung für Gesundheits- und Schönheitspflege. Heidelberg: Jünger.

Jusmann, D. (1910): Ein Kampf um Wahrheit, Recht und Existenz! Nachklänge der Broschüre: Zustände in der Heidelberger Universitätsirrenklinik. Heidelberg: Jünger.

Kuban, S. (1997): Das Recht der Verwahrung und Unterbringung am Beispiel der „Irrengesetzgebung“ zwischen 1794 und 1945. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Lang.

Schmiedebach, H.-P. (1996): Eine antipsychiatrische Bewegung um die Jahrhundertwende. In: M. Dinges (Hg.): Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich (ca. 1870 - ca. 1933). Stuttgart: Steiner, S. 127-159.

Schmuhl, H.-W. (2007): Experten in eigener Sache. Der Beitrag psychiatrischer Patienten zur „Irrenrechtsreform“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Sozialpsychiatrische Informationen 39, (3), S. 7-9.

Schwoch, R. (2013): „Mein jahrelanger Kampf gegen den Psychiater Größenwahn“. „Irrenbroschüren“ als Form einer Psychiatriekrtik. In: C. Wolters, C. Beyer, B. Lohff (Hg.): Abweichung und Normalität. Psychiatrie in Deutschland vom Kaiserreich bis zur Deutschen Einheit. Bielefeld: transcript, S. 71-95.

 

Robin Pape, Burkhart Brückner

 

Zitierweise
Robin Pape, Burkhart Brückner (2015): Glöklen, Adolf.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/163-gloeklen-adolf
(Stand vom:17.11.2024)